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alfred werner maurer
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feuer-inferno im sueden - zehn jahre verbrannte erde?
von alfred werner maurer
2003-08-01




Die trockenen Frühlings- und Sommermonate vor Augen bangte ich in den letzten Wochen bei jedem Mistral vor den Gefahren eines Waldbrandes. Der Himmel bereits durch schwarze Rauchwolken verdunkelt und am westlichen Horizont ein Feuerschein, zu verwechseln mit dem leuchtenden Abendrot beim Sonnenuntergang, zitierte ich meinen Gästen auf der Terrasse am Spätabend des 17 .Juli 2003 aus dem bibliophilen Bildband " Zauber der Provence" die Worte Vincet van Gogh's (Anmerkung 1) und das Gedicht Friedrich Nietzsche's " An den Mistral" (Anmerkung 2).

Das auf uns zukommende Inferno ahnte ich noch nicht. Die Warnsignale der, noch in weiter Ferne vermuteten, vom Mistral angefachten Feuerwalze noch mißachtend. Diese näherte sich bereits mit rasender Geschwindigkeit auf das an meinem Garten angrenzende Naturschutzgebiet "Conservatoire du Littoral" im Massiv des Petites Maures zwischen Saint-Aygulf und Les Issambres. Zunächst nur als streichholzkopfkleinen Punkt von mir wahrnehmbar, der sich dann von Sekunde zu Sekunde vergrößerte. Der aus dem Norden kommende Mistral wirkte wie ein ungeheurer Blasebalg und verwandelte das Waldgebiet in wenigen Minuten in ein Flammenmeer. Das Fauchen des Feuers, das Prasseln und Knallen, ein infernalisches Geheul bricht in die nächtliche Stille ein. Der Totenwind der Wälder treibt die Flammenfront vorwärts und vernichtet mit enormer Gewalt und rasender Geschwindigkeit von 60 km/h ein Hektar Wald nach dem anderen.

Man hofft bis zuletzt, dass diese Flammenfront das eigene Anwesen verschont, und weiß zugleich, dass diese Hoffnung den am Horizont erkennbaren Fakten widerspricht. Spätestens als die rotglühenden Feuerfunken, wie kleine Meteore und zischende Feuergeschosse über das Dach des Nachbarhauses und dann über das eigene Dach in die Wipfel der Bäume fliegen und diese sekundenschnell in lodernde Fackeln verwandelt, dränge ich die in Panik geratenen Gäste bergab zur Flucht ans Meer.

Zurück bleibe ich, der allein und hilflos, dem sich bis 50 cm an das Haus heranfressenden Feuer, das wie ein riesiger feuerspeiernder und funkensprühender Drache anmutet, gegenübersteht. Und dann, wie von Götterhand gelenkt, die in östliche Richtung laufenede Flammenfront kommt wenige Zentimeter vor der Hausfront ins Stocken, ändert die Richtung und entfernt sich genau so schnell wie sie gekommen ist in süd-westlicher Richtung. Es wird still das Heulen, Krachen und Zischen entfernt sich, wie die Fahrgeräusche eines aus dem Bahnhof abfahrenden Schnellzuges. Zurück bleibt ein Feuerteppich, tiefschwarze verbrannte Erde, lodernde Feuer in Eichen und Kiefern. Die brennenden Überreste der Büsche erinnern mich an in die Erde gepflanzter Fackeln und die verkohlten Überreste der Äste von Bäumen und Sträuchern erinnern im Feuerschein an gespenstig aussehende Strichmännchen. Das fauchende Feuerinferno rast mit gleicher Geschwindigkeit wie angekommen in Windrichtung weiter und hinterläßt nur noch durch einzelnes Zischen und prasselndes Krachen der Pinienzapfen unterbrochen eine fast himmlische Ruhe.

Ich renne bergauf und bergab entlang des Hausgiebels um die Flammen des verbliebenen Feuerteppichs mit der Schaufel niederzuschlagen und lodernde Baumstümpfe, die mich an brennende Meiler erinnern mit Erde zu löschen. Man gewinnt wieder eine Übersicht, geht bei der Brandbekämpfung methodisch vor, das Selbstvertauen kehrt wieder. So hält man die ganze Nacht Feuerwache und gebietet den immer wieder aufschreienden Feuer Einhalt. Ein Windhauch genügte um das eben erstickte Feuer wieder aufleben zu lassen.

Mit dem Nachlassen der Brandgefahr, der Einkehr der Morgendämmerung und der Müdigkeit wird man nachdenklich, das Erlebte wird zum Dokumentarfilm und man stellt kritische Fragen: -Warum unterblieb die Warnmeldung der Behörden? -Wo war der Rat oder die Hinweise an die Bewohner durch erfahrene Brandbekämpfer und Feuerwehrleute? -Warum erreichte man über den Notruf keine Feuerwache als die Flammenfront vor dem Haus stand? -Wo war die Feuerwehrleitstelle, die Feuerwehr, die Polizei, die Feuerwache und -Wo blieb die Nachbarhilfe die ganze Nacht über? -Warum waren sämtliche Wasserhydranten abgesperrt und weder Löschwasser noch Schläuche vorhanden? -Warum waren ! keine ! Feuerwehren und auch kein Techniker vor Ort um die Hauseigentümer und Bewohner zu unterstützen, zu helfen und die Häuser zu sichern? -Warum stand man als Einzelner allein hilflos der Feuerfront gegenüber ohne -jegliche kommunale Unterstützung?

Noch darüber nachdenkend werde ich am frühen Morgen des 18. Juli 2003, nachdem sich das Feuer restlos verzogen hat, die Flammen erstickt sind und der Rauch wie Nebelschwaden aus der kochenden Erde hochsteigt, an eine Graterlandschaft erinnernd, aufgeschreckt durch das rege Treiben auf der Straße vor meinem Hause. Die Hydranten werden von zwei Mitarbeiter der Wasserwerke, welche ununterbrochen mit dem Handy reden, abgeschritten, das erste mit Polizisten besetzte Auto wird von mir gesichtet, rote Hubschrauber und gelbe Propellermaschinen werfen erstmals ihre Schatten auf mein Grundstück und in der Tat Stunden später kriechen auch zwei Feuerwehrautos mit Schläuchen beladen die Avenue de L'Aramon hinauf und ich frage mich nach dem Zweck dieser verspäteten Übung. Und zu den zurückgekehrten Nachbarn gesellen sich die neugierigen Spaziergänger mit Fotoapparat und Fernglas auf der Pirsch nach den verbliebenen Sensationen des Feuers.

Mich überfällt die Müdigkeit und gebietet Einhalt über das Erlebte weiter nachzudenken. Es verbleibt die Frage: Warum, lange nachdem ich meinen Gästen und meiner Familie per Handy signalisierte, daß keine Gefahr mehr besteht, die verspätet an der Bergauffahrt aufgestellte Feuerwache nun die Heimkehr dieser verhindern wollte? Ein Blick ins Internet bestätigt in großen Lettern was ich hätte gerne wahrgenommen: Viele kommunale Helfer die einem bei der Brandbekämpfung zum Schutz seines Eigentums unterstützt haben. War das Erlebte und das allein sein in der Feuerbrunst nur ein Alptraum und waren die Helfer so nah und ich habe dies alles nicht wahrgenommen? Oder haben wir es mit einer unkritischen Berichterstattung der Presse und gar vielen Zeitungsenten zu tun? Mit dem Schlaf verbleibt das Unbehagen über den Tatbestand völlig allein auf dem Massif des petites Maures am Ortsende von Les Issambres den Flammen, vielleicht auch in unvernünftiger Weise, getrotzt zu haben. Für diesen Tatbestand lege ich sogar meine Hand ins Feuer!

Vielleicht unterstützen sie mich bei einer fairen Berichterstattung über den Waldbrand am 17.Juli 2003 um in Zukunft das einzufordern was die Pflichten der Verantwortlichen im Katastrophenschutz auch bewirken sollte: dass man in der Not auch Hilfe bekommt. Oder wird die Entschuldigung des spazierengehenden Amtsträgers auf die diesem nach dem Inferno von mir vorgetragene Kritik über die fehlender Hilfe : "Ich weiß, es war wie vor 13 Jahren (1990) als das Tal und die Berghöhe des Massifs schon einmal brannte" auch wieder als Ausrede für die Untätigkeit beim nächsten Waldbrand gelten oder wird die Verwaltung sich bemühen die Fehler und Versäumnisse dieser Nacht aufzuarbeiten um dem Bürger umfassend zu helfen.

Am Abend sehe ich am Horizont die Leuchtfeuer des Feuerwerks am Strand von Saint-Raphael, das ausnahmsweise heute Abend keine Begeisterung bei mir auslöst. Aber dies wird sich wieder ändern, wenn der Ärger über die unterlassene Hilfeleistung verflogen ist, spätestens dann, wenn keine Rauchschwaden mehr aus den abgebrannten Wäldern aufsteigen. Es wäre auch nicht auszudenken, wenn mein modernes Domizil, von einem der großen internationalen Architekten konzipiert, ein Raub der Flammen geworden wäre (Anmerkung 3). Die Côte d'Azur ist und bleibt Balsam für meine Seele. Den Garten wird man wieder anlegen und der Brandgeruch wird dem würzigen Duft der Hügel: Lavendel, Tymian und Rosmarien wieder weichen und mit diesen Aussichten kommt meine Lebensfreude zurück. Adieu tristesse-

Anmerkung 1
Vincent van Gogh:
Wenn der Mistral weht, ist es hier freilich alles andere als ein "mildes Land", denn der Mistral ist sehr aufreizend. Aber wie wird man dafür entschädigt, wenn ein windstiller Tag ist! Welche Leuchtkraft der Farben, welch reine Luft, welch stille Beschwingtheit!

Anmerkung 2
Friedrich Nietzsche AN DEN MISTRAL
Mistral-Wind, du Wolken-Jäger. Trübsal-Mörder, Himmels-Feger, brausender, wie lieb' ich dich! Sind wir zwei nicht eines Schoßes Erstlingsgabe, eines Loses Vorbestimmte ewiglich? Raffen wir von jeder Blume eine Blüte uns zum Ruhme und zwei Blätter noch zum Kranz! Tanzen wir gleich Troubadouren zwischen Heiligen und Huren, zwischen Gott und Welt den Tanz!

Anmerkung 3
R. Olgiati et coll. -Vgl. Grosse Architekten -Menschen, die Baugeschichte machten ISBN: 3-570-06546-4, Verlag Gruner + Jahr AG & Co Seite 231 ff


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© by alfred maurer veröffentlicht in Riviera-Côte d'Azur Zeitung Nr. 8 August 2003-12. Jahrgang www.rczeitung.com
besucher seit 01.09.2003

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