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Schlaue Hüllen

29. August 2012

Tina Wolf arbeitet als freiberufliche Architektin und Universitätsprofessorin an der Fakultät Architektur an der TU München, Foto © Tina Wolf

Nach ihrem Studium bei Kurt Ackermann an der Universität Stuttgart, arbeitete Tina Wolf in den Architekturbüros Herzog + Partner, München und im Renzo Piano building workshop, Paris. Neben konstruktiven Aufgaben lag ihr Schwerpunkt jeweils im Bereich Gebäudehülle. Nach ihrer Promotion zum Thema „Entwicklung einer solar optimierten Fassade“ wurde sie Projektleiterin von Forschungsvorhaben zur Integration von Solarthermie in Fassaden sowie zur Entwicklung eines Fassadenkollektors. Seit 2009 ist sie Universitätsprofessorin für das neu gegründete Fachgebiet „Technologie und Design von Hüllkonstruktionen“ an der TU München.


SANDRA GOTTWALD: FRAU WOLF, WESHALB BRAUCHT DIE ARCHITEKTUR DIESES NEUE FACHGEBIET?

TINA WOLF Ganz einfach – Deutschland und die ganze Welt haben ein kleines, nein, ein großes Problem. Wenn man sich den Gesamtenergieverbrauch weltweit anschaut, haben allein die Gebäude daran einen Anteil von 44 Prozent.


UND WIE WOLLEN SIE DAS ÄNDERN?

WOLF Durch Forschung und Lehre. Wir versuchen pragmatische Lösungen zu finden, wie zum Beispiel den Fassadenkollektor, der in Kooperation mit dem Institut für Baukonstruktion der Universität Stuttgart und Ritter XL Solar entstanden ist. Ausgangspunkt war der bislang lieblos auf der Dachfläche montierte Kollektor. Wir haben es geschafft, die Glasröhren in die Gebäudehülle zu integrieren und daraus ein funktionsfähiges Produkt zu entwickeln. Bislang sind die meisten Gebäudehüllen starr. Doch unser Klima ändert sich über die Jahreszeiten. Allein der Wechsel von Temperatur und Sonneneinstrahlung im Verlauf eines Tages kann sehr groß sein. Unser Anspruch liegt darin, Gebäudehüllen zu entwickeln, die adaptiv sind, die sich sozusagen an die ständig verändernden Bedingungen im Außenbereich anpassen, während im Innern gleichzeitig konstante Bedingungen herrschen. Unsere Aufgabe ist es, zukünftige Architekten zu sensibilisieren, dass sie die Gebäudehülle nicht nur aus ästhetischer, sondern auch aus energetischer Sicht betrachten. Und wir bringen ihnen das Rüstzeug bei, diese Hüllen richtig zu konstruieren.


WELCHE MÖGLICHKEITEN EINER INTELLIGENTEN HÜLLKONSTRUKTION GIBT ES BISLANG?

WOLF Es gibt kein Patentrezept, aber ein paar Spielregeln, an die ich mich halten muss. Diese bringen wir unseren Studenten bei. Erstens, ich muss Energie einsparen. Das kann ich erreichen, indem ich ein Haus dämme oder gute Fenster verwende. Ich kann aber auch bauliche und gestalterische Maßnahmen einbeziehen, zum Beispiel in Form von Holzkonstruktionen wie sie Hermann Kauffmann Architekten entwickelt haben. Zweitens braucht jedes Haus einen guten sommerlichen Wärmeschutz. Und dieser sieht in der Regel – in unseren Breitengraden – auf den verschiedenen Seiten des Hauses jeweils anders aus. Drittens muss ich schauen – und das gilt speziell für Verwaltungsbauten – dass gutes, konstantes Tageslicht in den Raum gelangt. Wenn ich all das geschafft habe und mein Energieverbrauch extrem reduziert ist, kann ich zusätzlich versuchen, die Oberflächen eines Hauses so zu aktivieren, dass sie Energie produzieren.


IST DAS NICHT EIN WENIG VIEL FÜR GEBÄUDE?

WOLF Im Gegenteil. Ich glaube, alle Bestrebungen, die in Richtung Energie einsparen gehen, sind grundsätzlich richtig. Was im Moment ansteht, ist die Sanierung von Bestandsbauten aus den 1960er und 1970er Jahren. In der Nachkriegszeit haben wir uns so manche Bausünde eingebrockt. Jetzt besteht die Chance, diese Gebäude energetisch in den Griff zu kriegen und gleichzeitig architektonisch aufzuwerten.


WORAN LIEGT ES, DASS SICH ERRUNGENSCHAFTEN WIE DER VON IHNEN MITENWICKELTE FASSADENKOLLEKTOR NICHT STÄRKER DURCHSETZEN?

WOLF Architekten lassen sich ja nur sehr ungern auf Systeme reduzieren. Jeder ist Individualist, will selbst entwerfen und mit seinen Gebäuden der Stadt ein neues Gesicht geben. Deshalb hat sich die Tendenz zur Standardisierung – zum Beispiel bei Tragwerken – nie wirklich durchgesetzt. Obwohl sich kluge Menschen kluge Systeme überlegt haben, scheitern sie leider manchmal an der Individualität der Architekten. Hinzu kommt, dass diese Techniken noch sehr teuer sind, auch der Fassadenkollektor. Und der Bauherr macht eine ganz einfache Rechnung auf: Das sind meine Investitionskosten, wann haben sich diese amortisiert und wann mache ich Gewinn. Weshalb sehen wir wohl so viele montierte Photovoltaikanlagen? Das liegt nicht daran, dass sie günstig sind, sondern dass sie bislang subventioniert wurden.


FÄLLT IHNEN SPONTAN EIN GEBÄUDE MIT EINER INTELLIGENTEN FASSADENLÖSUNG EIN?

WOLF Im Bestand leider nicht. Es gibt einige ganz gelungene Beispiele, aber keine Lösung für die Masse von Gebäuden. Neubauten sind von vornherein anders konzipiert. Dadurch, dass die Gebäudehülle den Energiebedarf bestimmt, hat sie natürlich einen großen Einfluss auf die Gebäudetechnik. Ein intelligentes Haus hat heute außer dem gut funktionierenden Grundriss ein technisches Konzept, das mit der Fassade gekoppelt ist. Nehmen Sie den neuen Verwaltungsbau der KfW-Bank von Sauerbruch Hutton in Frankfurt. Das Gebäude wurde dahingehend optimiert, dass die vorhandenen Winde genutzt werden, um das Haus natürlich zu belüften. Luft ist ein ganz wichtiges Thema.


APROPOS, WAS HALTEN SIE VON DER AKTUELLEN DÄMM-WUT DER DEUTSCHEN?

WOLF Das ist ein heikles Thema. Wie dämme ich, wo dämme ich – reicht's oder reicht's nicht? Darin schulen wir auch unsere Studenten. Wir versuchen die Waage zu halten zwischen „architektonisch vertretbar“ und „energetisch sinnvoll“. Architektur ist schließlich ein ganz wichtiger kultureller Beitrag und ich kann nicht einfach ein denkmalgeschütztes Haus einpacken. Da braucht es andere Strategien.

 

Architektur, Fassaden – statische Hülle oder dynamischer Übergang?, Interviews

Die Entwicklung des solarthermischen Fassadenkollektors „Wictec CPC” wurde vom Bundesumweltministerium gefördert und gewann 2010 den Intersolaraward, Foto © Giovanni Nouriza

Das Vorgängerprojekt des Fassadenkollektors „Wictec CPC“ wurde unter anderem von Tina Wolf initiiert und koordiniert, Foto © Giovanni Nouriza

Diese studentische Arbeit von Samuel Kaiser und S. Stoyanov zeigt einen Entwurf für ein modulares Gebäude, Foto © Fachgebiet für Technologie und Design von Hüllkonstruktionen

Studentischer Entwurf von Franziska Miliz und Carina Steidele für den Sonnenschutz eines Verwaltungsgebäudes, der sich automatisch dem Sonnenverlauf anpasst, Foto © Fachgebiet für Technologie und Design von Hüllkonstruktionen

Die studentische Arbeit von Arianna Bouccomino und Qianqian Cai zeigt Elemente einer mehrlagigen Textilfassade zur Selbstverschattung von Gebäuden, Foto © Fachgebiet für Technologie und Design von Hüllkonstruktionen

Der Student Jan Fuhrmann entwickelte eine textile Hüllkonstruktion, die als „zweite Haut“ für Neubauten und bei der Sanierung von Bestandsbauten Verwendung finden soll, Foto © Fachgebiet für Technologie und Design von Hüllkonstruktionen
 
 

 

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