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Architektur- NewsArchitektur | News | Heft 6/2012
Von der Tradition zur Touristenattraktion – Vorfertigung im Holzbau der Dong
Autor und Bilder: Frank Kaltenbach

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Architektur | News | Heft 6/2012
Von der Tradition zur Touristenattraktion – Vorfertigung im Holzbau der Dong
Autor und Bilder: Frank Kaltenbach
Wer sie einmal gesehen hat, wird sie nie wieder vergessen: die pagodengedeckten Wind-und-Regen-Brücken der Dong-Ethnie in Südchina. Doch nicht nur die Brücken, auch die pagodenartigen Trommeltürme, die Theaterbühnen und Stadttore sind mit den gleichen Steckverbindungen konstruiert wie ihre Wohnhäuser. Die Holzarchitektur der Dong gehört in China zu den letzten Überbleibseln einer uralten Kultur.
Das Gebiet der Dong liegt in Südchina auf dem Schnittpunkt der Provinzen Guizhou, Hunan und Guangxi. Noch ist die Landschaft aus Reisterassen, Bambuswäldern und Teeplantagen ungestört, ducken sich die anthrazithfarbenen Ziegeldächer harmonisch in die Topografie. Selbst größere Städte wie Zhaoxing im Bild oben links sind aus der Ferne im Dunst kaum sichtbar.
Während die Miao-Minorität ihre Dörfer typischerweise auf Hügeln anlegt, befinden sich die größeren Siedlungen der Dong in den Flussniederungen. Zhaoxing ist aufgrund der guten Erreichbarkeit eines der beliebtesten Touristenziele im Dong-Gebiet.
Im Gegensatz zu den vielen entlegenen Dörfern, wo turmartige rote Ziegelbauten mit Flachdächern das Stadtbild empfindlich stören, wird in Zhaoxing auf die traditionelle Silhouette und eine homogene Dachlandschaft aus den typischen gedämpften Ziegeldächern Wert gelegt. Einzig die fünf Trommeltürme der fünf einheimischen Familienclans ragen aus dem Häusermeer heraus.
Traditionell ist auch die Bauweise der Häuser. Das Holz wird im benachbarten Wald geschlagen, die Rinde vor Ort abgeschält und zu Fuß ins Dorf getragen, wo sie als Dachdeckung einfacher Zweckbauten Verwendung findet.
Die schweren Stämme werden auf dem Fluss ins Dorf oder zu einem LKW-Verladeplatz geflößert.
Charakteristisch sind die Steckverbindungen, die ein exaktes Ineinanderpassen der Teile erfordern.
Mit Stechbeiteln schnitzen die Zimmerleute die komplexen Durchdringungen aus dem Stamm, damit das Gegenstück millimetergenau passt, werden Breite und Tiefe der Öffnung an einer Schablone angezeichnet und auf nummerierte Bambusstäbchen übertragen, um bei der Endmontage eine exakte Zuordnung der Teile zu gewährleisten.
Die vorgefertigten Stämme werden zum Richtplatz transportiert und liegend zu Giebelwänden zusammengesteckt, dann im Ganzen aufgerichtet und mit Längshölzern verbunden.
Die Stämme stehen lose auf einem "Fundament" aus glatten Steinen, sind also nicht im Boden verankert. In den letzten Jahren hat sich ein gemauertes Erdgeschoss durchgesetzt, es bietet Schutz vor Feuchtigkeit, Insekten und Schlangen.
Die Wände und Decken der Obergeschosse bestehen aus dünnen Holzbrettern, die als Nut-und Federverbindung in Kanthölzer eingeschoben sind. Der Schallschutz ist dementsprechend gering.
Die Wind-und-Regen-Brücken sind nach demselben Prinzip konstruiert, allerdings ist die Spannweite eine zusätzliche Herausforderung. Mit vier Jochen und fünf pagodenartigen Aufbauten über den Brückenköpfen und -pfeilern ist die Chengyang Bridge in Ma' an die größte und von Touristen meistbesuchte dieser Brücken.
Anstelle der im westlichen Kulturkreis üblichen Diagonalstreben, schichten die Dong auf den Natursteinpfeilern mehrere, immer weiter auskragende Lagen aus Rundhölzern übereinander und erreichen so Spannweiten von bis zu 20 Metern. Im Gegensatz zu gewölbten Brücken im Himalaya mit ähnlichen Kragkonstruktionen besticht die horizontale Linearität der Dong-Konstruktionen.
Im Innern bilden sich faszinierende Räume, schließlich dient die Überdachung nicht nur dem konstruktiven Holzschutz, sondern schafft einen der wenigen öffentlichen Räume zum Aufenthalt oder geschützten Spaziergang nach Feierabend. Beiderseits des überdachten Weges verlaufen kontinuierliche Sitzbänke, über den Pfeilern weitet sich diese Straße zu Plätzen auf, die zum Verweilen und Ausblick auf die Landschaft einladen.
Hier verbreitert sich der Raum nicht nur, durch die Öffnungen der abgestuften Traufen des turmartigen Aufbaus fällt ein gefiltertes, fast sakrales Licht in diese durch das Halbdunkel mystisch anmutenden und dennoch offenen Räume.
Im Dong-Gebiet sind noch heute Autos oder Mofas Mangelware, sogar Pferdekarren bilden die Ausnahme. Das Transportmittel Nummer eins ist der Fußgänger: Sämtliche Lasten werden mit dem Tragestock über der Schulter balanciert. Anstelle von Rampen findet man auf den Brückenaufgängen steile und oft schmale Treppen. Eine Ausnahme bildet die Batuan Bridge. Hier ist seitlich zur Fußgängerbrücke anderthalb Meter tiefer eine eigene Spur für den Viehtrieb eingerichtet. Da man sich auf dieser Seitenspur das Treppensteigen erspart, ist sie auch bei Fußgängern sehr beliebt.
Den meisten größeren Brücken ist ein Tempel zur Seite gestellt mit Blick auf die Brücke.
Die pagodenartigen Aufbauten werden nicht nur auf Holzbrücken, sondern auch über Steinbögen errichtet wie bei diesem historischen Beispiel als Zugang zu einem berühmten Kloster.
Im Zuge der zunehmenden Erschließung mit asphaltierten Straßen und einem wachsenden Tourismus werden auch Stahlbetonbrücken mit der Corporate Dong-Architektur geschmückt. Sensible Einfügung moderner Architektur in einen dörflichen Kontext oder Romantik-Kitsch?
Neben den Wind-und-Regen-Brücken, sind es die so genannten Trommeltürme, die den Dong-Dörfern ihre unverwechselbare Identität verleihen. Als Treffpunkt eines Clans sind sie Kinderspielplatz, Unterstand, Altersheim, Markthalle und Rathaus zugleich. Meist liegen sie direkt neben dem Dorfbrunnen und dem Dorfweiher.
Die inneren Stützen laufen bis zur Turmspitze durch. Der ebenfalls durchgehende vertikale Innenraum sorgt für gute Entlüftung der Feuerstellen, die bei Familienfesten und Beerdigungen im Zentrum als Küche der Festgemeinde eingerichtet werden.
Die kleineren Trommeltürme der Clans zeigen mit Bemalungen und Gebrauchsspuren die wichtige rituelle Funktion für die Gemeinschaft.
Indessen haben die Tourismusverbände die Anziehungskraft der Dong-Architektur erkannt. In den wenigen größeren Städten werden gigantische Trommeltürme errichtet, die zwar in der traditionellen Weise konstruiert sind, aber reine Sehenswürdigkeiten sind ohne rituelle Bedeutung.
Die dritte Typologie der Dong-Architektur sind Theaterbühnen. Solche überdachten Bühnen kennt man in China spätestens seit der Tang-Dynastie im 7. Jahrhundert. Bei den Dong sind sie jedoch in der typischen Holzbauweise ausgeführt und meist liegen sie an einem Dorfplatz neben dem Trommelturm.
Neben den einfachen, eingeschossigen Ausführungen, gibt es Beispiele mit ausgebautem Sockelgeschoss.
Architektonisch anspruchsvollere Beispiele befinden sich zum Beispiel im Zentrum von Zhaoxing, wo der Dachaufbau fast identisch ist mit dem von Trommeltürmen, Wind-und-Regen-Brücken oder Toren am Stadteingang.
Oberhalb von Zhaoxing, zwanzig Minuten mit dem Auto entfernt, liegt das Dorf Tan' an am Ende der schmalen Straße. Von hier oben genießt man den weiten Blick über die Reisterrassen. Hier stand bis vor wenigen Jahren das einzige so genannte ökologische Museum der Dong-Minorität. Inzwischen ist das Museum geschlossen, die verfallene Theaterbühne neigt sich wörtlich ihrem Ende entgegen und auch das Eingangstor ist von den Unwettern gezeichnet.
Unten in Zhaoxing dagegen arbeiten andere Kräfte gegen die traditionelle Kultur. Das zaghafte Wachstum der für dortige Verhältnisse boomenden Touristenstadt zeigt erste Spuren. Schnellstraßen werden durch die hügelige Landschaft gefräst, kühne Stahlbetonbrücken überspannen ganze Täler, und am Ortseingang werden die Parkplatzflächen ständig erweitert.
Das neue Eingangstor zur Kultur der Dong liegt weit außerhalb der eigentlichen Stadt und mutet überzogen und künstlich an. Immerhin ist es nach wie vor ein Tor für den Fußgänger, erlebt der Besucher, wie früher der Reisbauer die Reisfelder vom erhöhten befestigten Damm aus und nähert sich behutsam den dunkelgrau gedeckten Häusern, die wie eine Herde Wasserbüffel eng beieinanderstehen. Die Dong haben die große Chance durch den Tourismus ihre sehr einfachen Lebensbedingungen zu verbessern, ohne ihre Kultur zu verlieren – sofern es ihnen gelingt nicht zur reinen Touristenattraktion zu verkommen.
Von Frank Kaltenbach
10.07.2012
China , Fußgängerbrücke , Holzbrücke , Holzskelettbau , Holzturm , Theater , Traditionelles Bauen , Vorfertigung , Ziegeldach

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