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Vorschau auf die Architekturbiennale 2012

Zaha Hadid entdeckt ihre Wurzeln im russischen Suprematismus, OMA feiert Beamtenarchitektur der sechziger Jahre und Miroslav Šik proklamiert das Ensemble: Was passiert, wenn ein Biennaledirektor Architekten auf den Common Ground einschwört, werden wir in den nächsten Wochen in Venedig erleben. Wer dabei ist und wer lieber draußen bleibt? Wir geben einen selektiven Überblick.

Gaggiandre, Arsenale, 2010, Foto: Giulio Squillacciotti, Courtesy: la Biennale di Venezia

„Architekten sind alle Kommunisten!“ Mit diesem Statement begrüßte unlängst der Chefdesigner eines Automobilkonzerns die Presse zu einem Gespräch, in dem es um einen Wettbewerb zur „Stadt der Zukunft“ ging, den der Autohersteller selbst ausgeschrieben hatte. Auch wenn sich Architekten selbstverständlich in allen politischen Parteien tummeln, scheint dieser Eindruck doch von seiner Warte aus höchst logisch: Während sich die Automobilindustrie der stetigen Befriedigung respektive Erzeugung individueller Bedürfnisse verschrieben hat, fühlen sich (die meisten) Architekten – zumal bei einem Wettbewerb zur „Stadt der Zukunft“ – der Gemeinschaft und deren gebautem Ausdruck verpflichtet. Das Ringen um die Frage, wie dieser Ausdruck aussieht, welche Parameter gelten, und wie der Spagat zwischen individueller Repräsentation und der Integration in den vorhandenen Kontext gelingt, beschäftigt  Architekten seit der Antike.

Ortner & Ortner Baukunst, Wien/Berlin, Beitrag für Common Ground

Common Ground nennt David Chipperfield metaphorisch diesen „kleinsten gemeinsamen Nenner“ in der Architektur, unter den er als diesjähriger Direktor die Hauptausstellung der 13. Architekturbiennale in Venedig gestellt hat. Und dazu gehören auch die Beziehungen innerhalb des „architektonischen Feldes“, wie man den sozio-ästhetischen Raum selbstgewählter Genealogien, Meister-Schüler-Beziehungen, architektonischer Diskurse und Theorien analog zu Pierre Bourdieus Feldtheorie nennen könnte. Über sechzig, teils aus mehreren Büros bestehende Architektenteams aus aller Welt hat Chipperfield dazu geladen, die den Arsenale und die Giardini in den nächsten Wochen mit ihren Beiträgen zum lebendigen Common Ground werden lassen.

Corderie, Arsenale, 2010, Foto: Giulio Squillacciotti, Courtesy: la Biennale di Venezia

Denn auch einige Kuratoren der Länderpavillons in den Giardini haben das Motto dankbar aufgegriffen: Der Herausgeber des französischen Beitrags, Yves Lion, widmet sich beispielsweise einer Großstadt, die es zwar real gibt, die aber administrativ durch nichts und niemanden vertreten wird: Grands & Ensembles heißt die Ausstellung im Französischen Pavillon, die die urbanen Potenziale einer „Zwischenstadt“ im Osten von Paris herausarbeitet. Auch der Beitrag des tschechischen Architekten und ETH-Zürich-Professors Miroslav Šik bezieht sich mit dem Titel „Und jetzt das Ensemble!“ auf Chipperfields Thema. Er wird eine Panorama-Collage aus Bauten der Zürcher Knapkiewicz und Fickert sowie der Basler Miller und Maranta gestalten lassen – und zumindest formalästhetisch fühlen wir uns beim Lesen dieser Beschreibung an den deutschen Biennale-Beitrag aus dem Jahr 2004 erinnert – die „Deutschlandschaft“ mit ihrer großformatigen Collage aus über dreißig zeitgenössischen Gebäuden.

Der Beitrag von MVRDV und The Why Factory "Freeland" im Biennale-Pavillon in den Giardini als Teil der Ausstellung Common Ground

Dort wird Chipperfields Motto nicht vorsätzlich übernommen: Reduce Reuse Recycle ist das bereits lange zuvor feststehende Thema des Münchner Architekten und diesjährigen deutschen Kurators Muck Petzet, mit dem er in Kooperation mit dem Industriedesigner Konstantin Grcic den deutschen Pavillon bespielen wird. „Mit dem Vorhandenen arbeiten“ heißt die Strategie, die gerade deshalb gut in den thematischen Kontext der Biennale passt. Sechzehn Projekte werden gezeigt, darunter die Erweiterung des Naturkundemuseums in Berlin von Diener & Diener (Basel), der rohe An- und Umbau eines Reihenhauses von  AMUNT Martenson und Nagel Theissen, das Projekt Antivilla von brandlhuber+ oder das Wohnhaus Klostergarten Lehel von Hild und K Architekten. Hier geht es gerade nicht um spektakuläre Inszenierungen, sondern um das Gespür für die vorhandenen Qualitäten eines Ortes oder die pragmatischen Bedürfnisse seiner Bewohner, die mit sparsamen Mitteln – und dabei gerade auch mal eher rau als fein – ergänzt und herausgearbeitet werden.

Anbau von AMUNT, Teil des deutschen Beitrags Reduce Reuse Recycle, Foto: RRR, German Pavillon

Und in der Hauptausstellung?

Sie gliedert sich wieder in einen Teil, der im Arsenale gezeigt wird, sowie in eine Schau im Biennale-Pavillon in den Giardini. In letzterem wird OMA wie 2010 (damals mit Cronocaos) mit einer großen Ausstellung vertreten sein, die unter dem Motto Public Works steht und einer Epoche gewidmet ist, in der es sich demokratische Staaten leisteten, hervorragende Architekten in ihre Dienste zu stellen: Die Auswahl von OMA-Partner Reinier de Graaf und Laura Baird zeigt öffentliche Bauten der sechziger und siebziger Jahre, die mit ihrem klaren Bekenntnis zur Avantgarde von einem großen Selbstbewusstsein dieser Staaten zeugen.

aus: Public Works, Beitrag von OMA für Common Ground

Interessant ist, dass erneut die Bildende Kunst als wichtige Bezugsgröße auftritt: Die Künstler Thomas Demand, Thomas Struth, Olafur Eliasson sowie Peter Fischli sind geladen. Zaha Hadid findet ihren Common Ground, indem sie ihre Arbeit mit dem russischen Suprematismus in Beziehung setzt. Für den gemeinsamen Boden auf dem Gebiet der Architekturtheorie versammelt Kenneth Frampton kanadische und amerikanische Architekten. Peter Eisenman kommt aus New York und Philipp Oswalt aus Berlin. Die großen Raumkünstler – allen voran Álvaro Siza, der 2012 den Goldenen Löwen für sein Lebenswerk erhält und gemeinsam mit Eduardo Souto de Moura ausstellt – sind ebenfalls dabei: Luigi Snozzi, Peter Zumthor, SANAA, Valerio Olgiati, Cino Zucchi, Herzog & de Meuron...

Beitrag von Zaha Hadid für Common Ground

Archipelago Cinema von Ole Scheeren, Teil des Begleitprogramms der Architekturbiennale

Und daneben? Fast symbolisch könnte man es nennen, dass der in China praktizierende Deutsche Ole Scheeren mit seinem im Begleitprogramm angesiedelten Beitrag Archipelago Cinema den „Boden“ gar nicht erst betritt, sondern lieber auf dem Wasser bleibt. Oder ist Scheerens seit einem halben Jahr durch die Welt schwimmendes Kino ein Verweis auf Rossis „Teatro del Mundo“? Gezeigt wird dort jedenfalls ein Film mit dem Titel „Against all Rules“, in dem man Scheeren bei ebenjenem Kampf „gegen alle Regeln“ zuschauen darf. Gemeinschaftssinn ist keine Voraussetzung für persönlichen Erfolg – auch nicht im Kommunismus. Demokratie jedoch braucht einen Common Ground – gerade in der Architektur. Auf der Biennale werden wir sehen, welche individuelle Vielfalt auf diesem Boden wächst.

(Cordula Vielhauer)

Alle Teilnehmer der Ausstellung „Common Ground“: www.labiennale.org

Alle Länderbeiträge zur Architekturbiennale 2012: www.labiennale.org

Architekturbiennale 2012: www.labiennale.org

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